Führerbart: Unterschied zwischen den Versionen

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Von: Dr. Friedrich Tietjen; Junior-Professor für Geschichte und Theorie der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Von: Dr. Friedrich Tietjen; Junior-Professor für Geschichte und Theorie der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
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Version vom 12. Dezember 2012, 19:54 Uhr

Führerbart und Volkskörper

oder: „Hitler wie ihn keiner kennt“

Freitag, 28. Dezember. 2012, 19:00 im Metalab

Wenn man einen Kreis zeichnet und etwas unterhalb des Mittelpunkts ein kleines schwarzes Rechteck, weiß jeder, wer gemeint ist: der Bart ist für Hitler so signifikant wie das Hakenkreuz für die Nazis, und vielleicht liegt es daran, dass es vor 1945 im Deutschen Reich gar nicht mal so wenige look-alikes gab. Der Vortrag "Führerbild und Volkskörper, oder: Hitler wie ihn keiner kennt" stellt Verbindungen zwischen Körpern, Zeichen und Politik im 3. Reich her und wirft abschließend einen kurzen Blick darauf, wie auch heute noch mit Bärten Politik gemacht wird.


Das von Heinrich Hoffmann produzierte Buch „Hitler wie ihn keiner kennt“ erschien zwischen 1932 und 1944 in einer Auflage von mehr als 400.000 Exemplaren. In diesem Buch wird Hitler in seinen Inszenierungen als Redner gezeigt, am Totenbett eines SS-Mannes stehend, an seinem Schreibtisch im Braunen Haus und im repräsentativen Porträt; doch daneben sieht man einen geradezu menschlichen Hitler, der einen Sonnenstuhl trägt, aus einer Kirche tritt, in der Zeitung blättert und auf der Fahrt von einer Veranstaltung zur anderen für ein Picknick in einer Wiese kniet.

Indem der Band die politische Erscheinung mit der vermeintlich privaten Person verquickt, soll nicht nur Hitler als „ein mitreißender Führer, sondern ein großer und guter Mensch“ offenbart werden, wie Baldur von Schirach im Vorwort schreibt. Gleichzeitig knüpfen Ästhetik, Inszenierungen und Motive der vermeintlich privaten Aufnahmen des Bandes an die jener Familienalben an. Wenn so die Bilder des Buches denen in den Alben gleichen, so finden sich umgekehrt dort auch Aufnahmen von Männern, die den gleichen Bart wie Hitler tragen.

Wohl macht der Bart keinen Nazi; doch die Bildpolitik der Nazis hatte spätestens zu Beginn der 1930er Jahre dafür gesorgt, dass Hitler und die Partei als Identitäten repräsentiert und auch wahrgenommen wurden. So stand sein Konterfei ebenso emblematisch für die Partei wie das Hakenkreuz als ihr Symbol. Wer sich daher in dieser Zeit in Deutschland einen solchen Bart stehen ließ, wusste, auf wen er sich damit bezog. Unabhängig von Alter, Statur, Haarfarbe, Physiognomie und Stand eigneten sich die Männer jenen Teil der Erscheinung Hitlers an, der dieser Anverwandlung zugänglich ist: einen kleinen Flecken Bart unter der Nase, der für Hitler so kennzeichnend war, dass er in keiner Karikatur der Zeit fehlte und bis heute als defacement auf Plakaten aller Art anzutreffen ist.

In den Physiognomien der Männer mit den sogenannten Zweifingerbärten gehen der sterbliche Körper und der politische Körper des Führers eine unheimliche Synthese mit den Körpern der Untertanen ein – der sterbliche Körper wird gleichsam unsterblich, indem er sich in den Körpern derer vervielfältigt, denen eine Teilhabe an der Macht nicht nur suggeriert, sondern über die Mitgliedschaften in den Massenorganisationen angeboten und gewährt wurde.


Von: Dr. Friedrich Tietjen; Junior-Professor für Geschichte und Theorie der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig

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